Rohstoffe und Ressourcen werden weniger, Menschen immer mehr – rund 9.000.000.000 werden 2050 voraussichtlich auf der Welt leben, in Worten neun Milliarden, rund drei Viertel davon in Städten! Ganz schön viel. Wie werden diese mobil sein? Wie schaffen wir‘s, dass Autofahren wirklich „nachhaltig“ wird? – Ein Interview mit Trendforscher Florian Rothfuss.

Immer wieder und immer öfter haben wir hier schon über visionäre Fahrzeuge, neue elektronische Helferleins oder komplett selbstständig fahrende Autos geschrieben – einfach spannend, was sich hier in Simulationen, Testgebieten und im echten Verkehr alles tut!

Zudem lieben wir Frauen Autos nicht nur, sondern machen sie durch unsere Inputs schicker,  ökonomischer und praktischer! Daher wollen wir wissen:

Wie fährt’s weiter?

Die Antworten darauf gibt Florian Rothfuss.

Florian Rothfuss ist Diplom-Ingenieur. Seine exakte Jobbezeichnung lautet etwas sperrig „Institutsdirektor für Mobilitäts- und Stadtsystem-Gestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, kurz IAO.

Kurzum: Florian Rothfuss ist Trendforscher. Einer der heute schon weiß, wie wir uns in Zukunft fortbewegen. Wie wir in zehn oder zwanzig Jahren Auto fahren, erforschen Florian Rothfuss und seine Wissenschafter-Kollegen vom IAO mit weiteren Experten (vom SENSEable City Lab des Massachusetts Institute of Technology)  im Rahmen einer gemeinsamen Initiative (Ambient Mobility Lab).

Für den A&W-Verlag habe ich vor einiger Zeit bereits ein Interview mit Florian Rothfuss geführt, der auch für Autofrau Rede und Antwort steht:

Herr Diplom-Ingenieur Rothfuss, was ist morgen auf unseren Straße hip?

Florian Rothfuss: Es gibt drei große Entwicklungstrends, die derzeit beginnen zusammen zu wirken: die Elektrifizierung der Fahrzeuge, die gemeinschaftliche Nutzung von Fahrzeugen und die Vernetzung bzw. das automatisierte Fahren. Diese drei Trends werden jeder für sich, aber insbesondere im Zusammenspiel die individuelle Mobilität ändern.

Stichwort Elektroantrieb: Wird er den Verbrennungsmotor vollständig ersetzen?

Von Oldtimern abgesehen, ja. Die Vorteile und Effizienz sind einfach groß: E-Cars fahren zum einen emissionsfrei, und zum anderen kommt der Strom – sobald wir die Energiewende gemeistert haben – zu großen Anteilen aus erneuerbaren Energien aus dem eigenen Land! Auch der Spaßfaktor kommt nicht zu kurz, denn durch das sanfte Rollen ist der Fahrer in die Umgebung integriert. Das wirkt sich positiv auf das Fahrgefühl aus!

Das kann ich nur bestätigen! Was ich mir weniger vorstellen kann, ist die gemeinsame Fahrzeugnutzung, also Carsharing oder Carpooling. Wird sich dieser Trend ausweiten?

Ja, weil Carsharing sehr viel angenehmer als der Besitz eines eigenen Autos sein wird, sobald die zuerst beschriebenen Entwicklungstrends wirklich zusammen gelaufen sind: Die  Fahrzeuge werden individueller gestaltet sein und die Benutzung durch Apps und Services immer einfacher und bequemer. Bereits heute sind Unternehmen wie car2go oder Drivenow  mit durchaus komfortablen Fahrzeugen unterwegs. Das zeigt, in welche Richtung es gehen kann.

Autonomes Fahren wird am intensivsten diskutiert – werden wir 2050 noch selbst lenken?

Es gibt ja bereits heute für viele Situationen und Aufgaben jede Menge Fahrassistenten, die der Mensch nur noch überwachen muss. Aber irgendwann wird das Auto auch bei schlechtem Wetter allein auf der Autobahn fahren können … Bis 2050, davon bin ich überzeugt,  wird man ein Auto rufen können, es wird sich mittels induktiver Spule  (hier leicht verständlich beschrieben) selbst aufladen, fährt auch wieder weg, parkt daher nicht  an der Straße, das heißt, die Verkehrsflächen, die heute dafür bereitgestellt werden müssen, können reduziert werden. Das wird auch das Bild von Städten radikal ändern!

Eine Frage, die im Zusammenhang mit autonomem Fahren oft diskutiert wird: Wer ist wofür und wann haftbar, wenn der „Autopilot“ einen Unfall verursacht?

Mit versicherungstechnischen Fragen beschäftigen wir (Ambient Mobility Lab) uns nicht, aber ich halte dieses Problem für eine Scheindiskussion und lösbar. Denn bis die Fahrzeuge wirklich so weit sind, ist ausreichend Zeit, diesbezüglich eine Regelung zu treffen.
Für uns ist wichtig zu untersuchen, wie automatisierte Fahrzeuge mit menschlichen Verkehrsteilnehmern kommunizieren und interagieren. Die Car-to-Car-Kommunikation (der Austausch von Informationen über Verkehrslage und Gefahren zwischen Straßenfahrzeugen) ist leicht regelbar, aber sobald der Mensch, vielleicht sogar ein gehandicapter Mensch dazukommt, müssen noch etliche Herausforderungen gelöst werden.

Im Zuge der totalen Vernetzung gibt es die Vision, dass wir unterwegs via App informiert werden, welches Verkehrsmittel das passende ist und es auch spontan und ad hoc nutzen können. Wie realistisch ist das?

Da gibt es erste Ansätze und Apps, wie das funktionieren kann, in Deutschland zum Beispiel die App moovel, die alle Verkehrsmittel in einer App vereint und die passende Verbindung ermittelt.
Die Verkehrsträger übergreifende Vernetzung ist das Wichtigste, aber die Informationen sind noch nicht optimal durchgängig. Das hängt letztlich davon ab, wer am Ende die Echtzeitdaten hat.

Der neue Audi Q7

Und wer wird diese riesige Menge an Daten verwalten, wem gehören sie?

Das ist heute noch nicht geklärt. Entweder neu entstehende Mobilitätsanbieter,  öffentliche Verkehrsgesellschaften oder ein dritter,  z. B. Google, der die Verträge abschließt … Es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass ein, zwei große Integratoren die Daten zusammenstellen und über Schnittstellen andere partizipieren lassen. Denn dass jede Stadt ihren eigene Datenstore hat, wird nicht machbar sein.

Wann wird das soweit sein?

Sicher bald und vor 2050! Sobald die Privatwirtschaft den Business-Case sieht, und das ist im Moment der Fall, geht es schnell und werden strategische Kooperationen geschlossen werden.

Inwieweit wird sich all das auf unsere Lebensweise auswirken?

Wir werden die Zeit besser nutzen können. Wenn wir etwas effizienter machen, fällt uns Menschen zwar immer auch ein, wie wir die Mehr-Zeit noch mehr mit Arbeit ausfüllen können, aber ich bin optimistisch. Ich fahre beispielsweise nicht gern im Stau oder bei starkem Regen auf der Autobahn. Wenn ich nun automatisiert zur Arbeit fahre und mir der Arbeitgeber das Fahrzeug vielleicht bezahlt, lässt sich die Pendelzeit vielleicht auch als Arbeitszeit geltend machen. Das birgt viele neue Perspektiven im Bereich Mobilität.

Bildquellen: BMW, Audi, Nissan, Ludmilla Parsyak/Fraunhofer IAO, Victor S. Brigola/Fraunhofer IAO, Zuckerfabrik Fotodesign.

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